Sind Sie das erste Mal in Deutschland?Ich ging schon 1991 als
Au-Pair-Mädchen nach Deutschland, genauer nach Wildeshausen. Letztlich
blieb ich fünf Jahre, weil ich den italienischen Psychologie-Studenten
Francesco Pepe kennenlernte, der damals in Oldenburg lebte. Wir
heirateten und ich habe seinen Nachnamen behalten, auch wenn die Ehe
längst Geschichte ist. Ach ja, als Kind war ich in Warnemünde, aber das
war vor der Wende.
Kein Wunder, dass Sie so gut Deutsch sprechen! Was hat Sie inspiriert, Fotografin zu werden?Fotografie
hat mich immer begeistert, aber ich habe mich nicht getraut. Francesco
hat mich ermutigt, meinen Weg zu gehen, mich als Fotografin zu
versuchen. Noch während ich in Deutschland war, nahm ich daher ein
Fernstudium Fotografie in Tschechien auf. An Fotografie fasziniert mich
bis heute, dass ich andere Welten besuchen kann.
Sie beschränken sich dabei nicht darauf, zu fotografieren. Sie mischen sich ein…Seit
1999 arbeite ich an der Serie Selbstportäts mit Freunden. Die Porträts
sind so arrangiert, dass ich ein Familienmitglied oder die beste
Freundin sein könnte. Dafür ziehe die Kleidung der Anderen an, nähere
mich ihnen äußerlich soweit wie möglich an. Ich schlüpfe vor jedem Foto
in die Rolle von anderen Menschen und lasse mich mit ihnen
fotografieren. Zuvor habe ich hinter der Kamera alles genau arrangiert.
Die Ähnlichkeit wirkt oft verblüffend.
Diese Serie eröffnet mir
neue Perspektiven auf das Leben, erlaubt mir, eigene Positionen zu
überprüfen, mich auszuprobieren. Ich fange so die Vielfalt von
Lebensmöglichkeiten ein, und allmählich entsteht das vielschichtige
Porträt einer Gesellschaft.
Wie finden Sie Menschen, die dieses Experiment mit Ihnen wagen?Zunächst
startete ich mit meiner eigenen Familie, mit meinen Freunden und
Bekannten. Über diese lernte ich neue Partner für das Fotoprojekt
kennen. Jetzt traue ich mich auch, Menschen anzusprechen, die ich gar
nicht kenne. Allerdings kostet mich das immer noch viel Überwindung und
mir ist wichtig, dass sie sich in der Situation wohl fühlen. Ich bin
kein Voyeur.
Wie würden Sie Ihre Fotografie bezeichnen?Es
ist eine Form der dokumentarischen Fotografie, auch wenn ich dabei viel
inszeniere. In meiner Muttersprache sagt man Inszeniertes Dokument.
Sie fotografieren nur Menschen. Langweilt Sie Landschaft?Nein
gar nicht, ich genieße sie. Auf Sylt finde ich das Meer wunderbar. Ich
kann ruhig am Strand sitzen, das Spiel von Wind und Wasser beobachten
und meine Gedanken schweifen lassen. Doch viel Zeit werde ich nicht
damit verbringen, ich habe noch so viele Projekte auf Sylt geplant. Es
ist einfach toll hier!
(Angela Grosse)
Stichwort:Der
Sylt-Preis für zeitgenössische Fotografie wird von der Stiftung
kunst:raum sylt quelle und der Zeitschrift "
Photonews" verliehen. Über
die Vergabe entscheidet eine hochkarätige Jury. Der Verlag HatjeCanz,
das Unternehmen HP, das FabrikFotoforum und die Sylter Kommunen
unterstützen dieses Projekt, das 2012 mit einer Ausstellung in Berlin
und einem Bild- und Textband beendet wird.